1. Tag: Montag, der 20.6.1977
Unsere Klassenreise vom 20.-25. Juni 1977 nach Braunlage im Harz fing genauso an, wie solche Unternehmen immer beginnen - mit Verspätung.
Doch nachdem das Gepäck unter allgemeiner Aufbruchstimmung verstaut war, suchte man sich eine weiche Unterlage für seine 4 Buchstaben. Nach etwa einer Stunde hatte man sich entschlossen, ohne Heimweh in die wohlverdienten Ferien hineinzuträumen. Ein bisschen Ruhe vor der "Penne" und den Paukern (Frau Leydag und Herrn Dohse ausgeschlossen).
Herr Dohse versuchte unter erheblichem Kraftaufwand seinen Schwarz/Weiß-Film zu verknipsen. Es wird sich herausstellen, wer sich als "Bus-Fotomodell" eignet.
Aber schließlich war man da und jedermann versuchte, sein Zelt so gut wie möglich aufzustellen; dieses lief erfreulich schnell und gesittet ab. Nun konnte man sich mit seiner 1-Wochen-Heimstatt, unter Aufsicht von Frau Leydag, der Braunlagerin, vertraut machen.
Da wir alle nicht gegessen hatten, stürmten wir erst mal die SnackBar. Dann machten wir einen Spaziergang im Kurpark unter der Bestaunung der etwas älteren Kurgäste. Danach wurden wir von den Lehrern verlassen und benutzten die Freiheit dazu, Verena Gelegenheit zu geben, ihr Geburtstagsgeld in Eis für uns umzuwandeln. Als wir wieder in der Herberge waren , warteten die beiden Tischtennisplatten darauf, von uns belagert zu werden. Es wurden große Talente entdeckt! Andere spielten Karten oder Fußball.
Eine Störung stellte das Abendessen dar, da unser Hunger eigentlich durch heiße Würstchen aus der Imbisshalle und Bergen von Eis gestillt war. Es gab Nudeln mit Fleischklößen und zum Nachtisch Birnen.
Beim Abendessen wurde beschlossen, den Abend bis 22 Uhr sportlich oder spielerisch zu verbringen.
Wie sich herausstellte, ist der Clown unserer Klasse kein Schüler sondern Deutschlehrer!
Hoffentlich werden wir die erste Nacht im selbst-aufgebauten Zelt ohne Regen und Sturm überstehen.
(von Petra)
2. Tag: Dienstag, der 21.6.1977
Nachdem man um halb sieben von Herrn Dohse geweckt wurde, um Frühsport zu treiben (was dann allerdings wegfiel), stürzte sich jedermann nach einer kalten Nacht unter die warmen Duschen. Das Wetter war leider nicht sehr gemütlich. Wir waren im wahrsten Sinne des Wortes eingenebelt!
Nach einem guten Frühstück machten wir uns trotzdem - mit Gummistiefeln und Regenmänteln - zu einem Gewaltmarsch in den Wald auf.
Wir wanderten erst zum Silbersee, dann zum Königskrug und schleppten uns dann zur Herberge zurück, wo uns ein wirklich vorzügliches Mittagessen erwartete (Hühnchen, Kartoffelbrei, Erbsen, Rotkohl und Soße). Nach dem Mittagessen mussten wir im Laufschritt zur Bushaltestelle, um den Bus nach Goslar noch zu erwischen.
Aus der erwarteten Ruhepause für unsere Beine wurde leider nichts, da der Bus total überfüllt war und wir alle stehen mussten. Dann stiegen wir in Harzburg aus, um in einem leereren Bus weiterzufahren. Leider hatten wir schon bis Goslar bezahlt und keiner der 3 kommenden Busse bzw. Busfahrer fühlte sich befugt, uns sozusagen kostenlos mitzunehmen . Bis dann der vierte Mitleid mit uns hatte.
In Goslar angekommen, machten wir erst mal einen Bummel durch die sehr hübsche Stadt.
Dann gingen wir zur Kaiserpfalz, wo wir an einer Führung teilnahmen. Wir lernten vieles über Heinrich III. bis Barbarossa. Danach tummelten wir uns noch in der Stadt herum. Leider hatten wir nur noch eine halbe Stunde Zeit (das hatten wir den Busfahrern zu verdanken). Auf der Rückfahret ging dann alles glatt.
Nachdem wir das gute und reichliche Abendessen in uns hineingeschlungen hatten, hörten wir uns einen Vortrag über die Zonengrenze an (sehr lehrreich).
Danach durften wir (beschränkt) tun, was wir wollten. Viele gingen in die Discothek...
(Verena)
3. Tag: Mittwoch, der 22.6.1977
Das Reinlichkeitsbedürfnis setzte sich auch am 3. Tag fort. Ein Großteil der Mitglieder unserer Klasse raffte sich schon um 6.30 Uhr auf, um dann 2 Minuten später von der verschlossenen Tür des Duschraumes zu stehen. Da der Duschraum um diese Zeit noch abgeschlossen war (7-22 Uhr), waren einige schon auf die Idee gekommen, auf das alltägliche Duschen zu verzichten und sich "ur" unter dem Wasserhahn zu erfrischen. Schließlich erbarmte sich die Herbergstochter, uns den Waschraum 5 min eher zu öffnen. So fand die Klasse zu ihrem Trieb der vollkommenen Reinigung zurück, um sich um 8 Uhr zum Frühstück einzufinden.
Es gab wie immer 2 Brötchen, weiterhin Pflaumenmus, Salamikäse und besten "Muckefuck". Danach fertigte man sich die Lunchpakete fpr die 15km-Wanderung an. 8.35 Uhr bestieg man dann schließlich den Bus, der uns zum Anfangspunkt unserer Tour bringen solle. Es stieg noch unser Wald- und Wiesenführer, Herr Zimmerling, hinzu. Nun konnte die Wanderung durch Berg und Tal beginnen.
Zuerst besuchte man einen Ehrenfriedhof aus dem 2. Weltkrieg, auf dem 90 deutsche und 14 russische Soldaten begraben sind. Es ging weiter bis zur Zonengrenze: Trotz des Rates, auf Provokationen der DDR-Grenzbeamten zu verzichten, konnte es sich stellenweise nicht verkniffen werden, Schlachtrufe bzw. die deutsche Nationalhymne zu singen .
Es ging dann recht zügig weiter bis zum "Wurmberg", wo die große Pause unter anderem dazu diente, den 1. Teil des heutigen Tagebuches zu verfassen. Frau Leydag verließ uns auf dem Wurmberg, aus den uns bekannten Gründen mit Herrn Zimmerling, dem anscheinend die Luft ausgegangen war. Wir schlugen uns auf dem Rückweg vom Wurmberg fast nur durchs Gebüsch, was dann eine Abkürzung von einigen Kilometern bedeutete. Dies wäre sicherlich nicht mit Herrn Zimmerling - und natürlich auch nicht ohne Herrn Dohses Bundeswehrerfahrung durchführbar gewesen. Der "Achtermann" war eigentlich in unserem Wanderprogramm eingeschlossen, aber wegen fehlenden Interesses ließ man diese "Sehenswürdigkeit" ausfallen.
Nachdem wir einen hervorragenden Vortrag von einem bekannten Stollenfahrer über die im Harz vorkommenden Mineralien gehört hatten, packte einige von uns das Höhlenfieber. Da ich zu dieser Gruppe gehörte, wird der weitere Bericht die "Braunlage-Bummler" außer Acht lassen.
Man bewaffnete sich mit mit hammer, Taschenlampe, Gummistiefeln, Mut und Höhlenfieber und der Ausflug zum Steinbruch (keine Zwangsarbeit) konnte beginnen. Nach langem Suchen fanden wir endlich den Schacht. Alle stürzten hinein. Welch ein Glück, daß wir Gummistiefel angezogen hatten, da das Wasser einem knapp bis zum Knie reichte. Fast alle kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus und bis kurz vor 10 Uhr wurde die Höhle auseinandergeklopft.
Nachdem wir, beladen wie die Packesel, die reiche Beute in den Zelten verstaut hatten, war es schon 22 Uhr (Zapfenstreich) geworden. Man begab sich zur Nachtruhe.
(???)
4. Tag: Donnerstag, der 23.6.1977
Die Schilderung dieses Tages fällt leider etwas kürzer und ungenauer aus, da die exakten Angaben fehlen und dieser Tagesbericht etwa 1 Jahr nach der Reise geschrieben wurde. An diesem Tag wurde eine Harzrundreise mit dem Bus gemacht.
Der Höhepunkt dieses Tages war die Rutschfahrt in und auf St. Anderasberg. Dafür, dass einige Schüler leider unten auf sicherem Platz zuschauen wollten, machte Herr Dohse umso mehr mit! Mit bobartigen Schlitten wurde einzeln gefahren, gesteuert und sollte auch gebremst werden.
Auf unserer Reise durch das Sieber-Tal kamen wir nach einem Zwischenfall auch gut an der Blauen Quelle an. Der Busfahrer, welcher uns nämlich abgesetzt hatte und an einem ausgemachten Punkt abholen sollte, kam leider nicht. So stapelten wir uns notgedrungen auf einer Wiese am Straßenrand auf und warteten.
Detlef, der vorher im kühlen Gebirgsbach eine kleine Dusch bekommen hatte, versuchte derweil krampfhaft, seine Jeans zu trocknen, um später auch in den Bus gelassen zu werden. Dann kam der Busfahrer, der die Zeit zu einem etwas längeren Schläfchen ausgenutzt hatte und chauffierte uns zu der Quelle.
Das Wasser dort ist - wie unseren Erdkunde-Lehrer freuen wird - noch sauber und trinkbar. Zu guter Letzt ging es noch in die 5°C kalte Einhornhöhle, welche sehr interessante "Innereien" aufzeigen konnte.
Obwohl verspätet, bekamen wir unser Abendessen, so dass auch dieser Tag ein Erfolg wurde.
(Petra I)
5. Tag: Freitag, der 24.6.1977
Nach einer kühlen Nacht im warmen Schlafsack kam der Aufstehbefehl viel zu früh. Obwohl Herr Dohse uns im Bundeswehrstil weckte, fielen einige nach Schock und kurzer Besinnung wieder in festen Schlaf. Spätestens beim 2. "Weckdurchgang" merkten wir, dass Herr Dohse es ernst meinte.
Nachdem sich der erste Sturm auf die Waschräume gelegt hatte, waren auch die größten Schlafmützen wachgerüttelt. In wilder Eile hastete man zum Frühstücksraum, um nicht verhungern zu müssen. Die angeregte Unterhaltung bestand, wie immer, aus den freundlichen Rufen: "Tischdienst!", "Butter holen!", "Die Marmelade ist alle", "Nimm nicht so viel Käse!" oder "Ich will auch noch Tee!"
Nachdem die Frühstücksschlacht beendet war, traf uns ein neuer Schlag von seiten unserer "nachsichtigen" Aufsichtsperson. Nachdem bis wir bis 9.30 Uhr die Waschräume wienern durften, waren alle Überschwemmungen beseitigt und wir machten uns auf den Weg zum Braunlager Heimatmuseum. Dieses Museum ist Privatbesitz und wird auch nicht von staatlichen Mitteln unterstützt. Es besteht zum größten Teil aus mittelalterlichen Einzelstücken, Zeitungssammlungen und Skimuseum . Als interessanten Abschluss der Führung zeigte man uns ein mittelalterliches Zimmer aus dem Harz.
Dann schlenderten wir zur Bushaltestelle, um die Klosterruine in Walkenried zu besichtigen.
Walkenried liegt 275 m hoch, an der Grenze zur DDR. Das Kloster wurde im 13. Jahrhundert von den Zisterziensern erbaut, 1525 im Bauernkrieg zerstört. Es ist von 350 Fischteichen umgeben. Unser Führer glich eher dem "Glöckner von Notre Dame" als einem frommen Manne, was zu einigen erheiterten Gemütern führte.
Danach erklommen wir den Gipsfelsen "Himmelreich", welcher zwischen Itel und Pontelteich liegt. Er ist wegen seiner seltenen Pflanzen zu einem Naturschutzgebiet erklärt worden, an welches noch ein Vogelschutzgebiet grenzt. Oben auf dem "Himmelreich" gelangten wir an den "Ellrichblick", von wo wir einen herrlichen Blick auf die "Friedensgrenze" genossen.
Schon von weitem konnten wir laute Knalle hören und kamen zu der Überzeugung, dass das nur auf dem Staatsgebiet der DDR sein konnte. Richtig geraten: Hinter der Grenze sahen wir in ca. 1,5 km Entfernung Eiheiten den NVA, welche die veralteten Kastenminen durch die moderneren und stärkeren Minen ersetzten.
Nach etwa 90 Minuten vefielen wir wieder in den Herdentrieb und marschierten zur Bushaltestelle. Wie der Zufall es wollte, befand sich gerade ein Eisstand in der Nähe - nichts wie hin!
Danach brachte der Bus uns nach "Hohegeist", um eine Wanderung an der Grenze zu unternehmen. Beim Betrachten der Selbstschussanlagen drehte sich das Gespräch ausschließlich um die Frage, wie man die DDR zur Vernunft bringen könne oder wie man aus diesem Gefängnis ausbrechen könnte.
Da wir die Bushaltestelle nicht fanden, mussten wir dem Bus in olympiareifem Tempo entgegenlaufen. Abends gab es dann Senfeier mit Kartoffeln, was uns wegen der erheblichen Würze ins Leben zurückrief. Nach dem Essen wurde unsere Freizeit ausgehandelt. Um 22 Uhr verkrochen sich alle in die Miefbunker, um, nach einigen Gesprächen mit dem Luftmatratzennachbarn, erneut eine kühle Nacht im Zelt zu verbringen.
(Gunther)
bearbeitet von Susanne und Petra